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Training mit Positiver Verstärkung (Kathrin Wycisk)

- Ein Bericht zum Kurs "Training mit positiver Verstärkung" mit TOP Trainerin Kathrin Wycisk - 

Am 3.12.2016 war TOP Trainerin Kathrin Wycisk zu einem Kurs bei uns. Wer sich nun fragt, was genau "TOP" bedeutet: Ein TOP Trainer muss eine besondere Ausbildung bei der Tierakademie Scheuerhof absolvieren, darunter z.B. fünf sog. "Hühnermodule", bei denen die eigenen Clicker-Fähigkeiten und Fertigkeiten mit Hühnern trainiert werden. TOP steht dabei für Training optimieren und perfektionieren. 

Bei Kathrin waren wir also beim Kurs zum Thema "Training mit positiver Verstärkung" in besten, qualifizierten Händen.

Warum der Kurs?

Grundsätzlich finde ich, dass man seine Trainingsmethoden immer wieder kritisch überdenken sollte. Und nicht nur das: vor der sprichwörtlichen Betriebsblindheit ist niemand gefeit. Ein objektiver Blick kann doch sehr heilsam sein. 

Bei den Zirkuslektionen und bei der Agility arbeite ich schon länger mit positiver Verstärkung - der Clicker bzw. ein Markerwort sind hier für mich nicht wegzudenken. Wenn ich nun sehe, wie motiviert mein Pony in diesen Trainingseinheiten mitmacht, versetzt es mir doch immer einen kleinen Stich, wenn Fräulein Pony z.B. beim Fahren weitaus weniger Engagement zeigt. Kaum ist die Leckerlitasche umgeschnallt, trapst die kleine Flauschekugel bereitwillig in den Reitplatz.

Zirkuslektionen Shetty, Ponyschule
Zirkuslektionen zeigt der gescheckte Kugelblitz gerne! Foto by Alison Marburger

Will ich aber mit dem aufgeschirrten Ponakel in den Reitplatz gehen, lässt sich Fräulein Pony sehr bitten. Das ist nur ein kleines Beispiel, dass mir aber doch immer wieder und sehr deutlich zeigt, dass ich erstens einen signifikanten Unterschied bei der Motivation von Lilly-Lou sehe: Sobald im Training geclickert wird, ist alles prima. Arbeiten wir konventionell, hat das Shetty "keine Lust". Zweitens frage ich mich, wieso ich mir denn das Leben schwerer machen sollte als nötig, wenn die Sache mit dem Click doch in manchen Bereichen so gut funktioniert. Wieso sollte ich mir selbst und meinem Pony selbstgezogene Grenzen setzen, wenn ich doch weiß, wie positiv sich das Training mit positiver Verstärkung auf die Lernbereitschaft und -fähigkeit ausübt? 

 

Shetty, Kutschenführerschein
Immer wenn ich mit konventionell arbeite, z.B. vor der Kutsche, vermisse ich das super-duper-motivierte Pony. Foto by Alison Marburger

INFO

Apropos Fahren. Kennst Du eigentlich das hartnäckige Gerücht, man müsste einen Kutschenführerschein der FN machen? Hier habe ich Dir alle wichtigen Infos zum Thema Kutschenführerschein zusammengestellt.


Und da stellt sich für mich ganz persönlich die Frage: Wieso eigentlich nicht konsequent sein und die positive Verstärkung nicht nur bei einzelnen, sondern ALLEN Trainingsbereichen anwenden?

Diese Frage ist aus meiner Sicht zum einen eine logische, zum anderen aber auch ziemlich radikale. Um weder mich selbst noch das Scheckentier zu überfordern, habe ich einen Kurs mit Kathrin organisiert. Das gesamte Team Shetty-Sport und noch drei weitere Teilnehmerinnen waren am Start. (Hier sei schon einmal angemerkt: Am bitterkalten Start - bei Temperaturen um den Gefrierpunkt war ein Outdoor-Tag doch ziemlich...frostig.)

Was ist positive Verstärkung?

Das Training mit positiver Verstärkung hat viele Facetten und beruht auf Erkenntnissen der Lernforschung und der daraus resultierenden Lerngesetze. Sehr vereinfacht kann man sagen: Beim Training mit positiver Verstärkung geht es darum, dass erwünschtes Verhalten belohnt wird - denn Verhalten, das sich lohnt, wird wahrscheinlich wieder gezeigt. 

Die Belohnung besteht aber nicht im Nachlassen von etwas Unangenehmen, wie Druck, sondern in etwas, was das Pferd haben möchte. Und hier kommt das Futter in´s Spiel. 


INFO

Ehrlich motiviert

*Sylvia Czarnecki: Ehrlich motiviert! Positives Training mit Pferden

Wer sich mit den Grundlagen des Trainings mit positiver Verstärkung befassen möchte, dem sei "Ehrlich motiviert!" empfohlen! Hier wird anhand sehr anschaulicher Beispiele erklärt, wie Pferde lernen und wie sich der Trainer das zunutze machen kann. Abgerundet werden die Grundlagen der Lerntheorie durch praktische Übungen, mit denen die Basics des Trainings mit positiver Verstärkung erarbeitet werden können. Ein tolles Buch, das verständlich erklärt, wie positive Verstärkung funktioniert!


Was hat es nun mit dem Clicker auf sich? Zunächst einmal: es muss nicht zwingend ein mechanischer Clicker sein. Es kann auch ein "Markerwort" oder ein sog. Zungenclick sein. Nachdem das Pferd auf den Click konditioniert wurde, d.h. nachdem man ihm beigebracht hat, dass auf jeden Click ein Leckerchen folgt, kann man mit dem Click ganz präzise und schnell "sagen": Ja, das hast Du richtig gemacht - dafür bekommst Du ein Leckerchen. Das Pferd bekommt dadurch die Chance, genau zu erkennen, was es tun soll. Und es wird sich anstrengen, es wieder zu tun: schließlich will es wieder ein Leckerchen bekommen.

Während im "klassischen" Training das Pferd ein Verhalten zeigt, um Unangenehmen zu entgehen, zeigt es beim Training mit positiver Verstärkung ein Verhalten, um eine Belohnung (Futter) zu bekommen, wobei der Click das Futter ankündigt.

Soweit zu einem wirklich sehr rudimentärem und vereinfachtem Einblick in die Theorie der positiven Verstärkung

You get what you click!

...not what you want. Darin besteht aus meiner Sicht die Gefahr beim Training mit positiver Verstärkung. Der Grundsatz, dass ein Pferd das zeigt, was sich gelohnt hat, beinhaltet in erster Linie den Appel an den Trainern "Pass auf, was Du belohnst!". Zeigt ein Pferd unerwünschtes Verhalten, kann man davon ausgehen, dass man es eben schon einmal (unbewusst) belohnt hat. Deswegen finde ich es umso wichtiger, sich vor dem Einstieg in´s Training mit dem Clicker Gedanken zu machen, was dieser Schritt bedeutet. Nämlich, dass man sich genau überlegen muss, wie das erwünschte Verhalten auszusehen hat, wie man es bekommt, anschließend belohnt und unter ein Signal setzen kann. Das Training mit positiver Verstärkung ist zwar kein Hexenwerk, aber sicherlich alles andere als trivial. Mein Tipp ist daher ganz klar: Wer mit positiver Verstärkung arbeiten möchte, der sollte sich dringend in die Thematik einlesen und im besten Fall einen Trainer zur Seite haben. Denn schnappende, beißende und bettelnde Clicker-Pferde werden nicht durch den Clicker gemacht, sondern durch den Trainer, der den Clicker bedient! Und damit wären wir auch wieder beim Kurs mit Kathrin.


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Clickerfitte Pferde

*Viviane Theby, Katja Frey, Nina Steigerwald: Clickerfitte Pferde

DAS Grundlagenwerk für Einsteiger und Fortgeschrittene, die nochmal einen Blick auf die Grundlagen werfen möchten. Die Autorinnen beschreiben praxisnah die Grundlagen des Trainings, wie man am besten einsteigt, zeigen Strategien zur Problemlösung und ganz viele, sinnvolle Übungen von der Grunderziehung bis zur gymnastizierenden Arbeit. Toll finde ich auch das Kapitel zum Medical Training! Für mich ein Must-have für Clicker-Fans!


Und es hat Click gemacht!

Wir waren eine recht gemischte Gruppe: Von sechs Teilnehmerinnen waren drei schon mehr oder weniger clickererfahren und drei absolute Neulinge. Das fand ich besonders interessant, denn so hatten wir die Möglichkeit zuzusehen, wie drei Pferde auf den Clicker konditioniert werden. Besonders spannend fand ich dabei, dass alle drei Pferde ganz unterschiedliche Reaktionen auf das Futter zeigten: während ein Pferd deutlich gestresst wirkte und Probleme mit der Höflichkeit hatte, war das andere ganz cool und respektierte von Anfang an den Abstand zur Leckerlitasche. Noch spannender fand ich allerdings, dass Kathrin es geschafft hat, die Pferdebesitzer so anzuleiten, dass am Ende des Tages alle Pferde die höfliche Grundposition, also Kopf weg von der Tasche, gerade nach vorn und optimalerweise tief, einnehmen konnten. Auch das "Stress-Pferd" war nach den Einheiten weitaus weniger gestresst. 

Clickertraining mit Pferd, Höflichkeit, Kreative Pferde
Got that click?! Kathrin bei der Konditionierung und Höflichkeitsübung.

Ich fand es ganz wunderbar, dass uns Kathrin so viel Raum für unsere individuellen Bedürfnisse gelassen hat. Während eine Teilnehmerin z.B. insbesondere mit dem Targetstick bzw. dem Mattentarget arbeiten wollte, hatte ich den Fokus auf den Trab gelegt. So konnten wir alle voneinander profitieren - gerade weil die Ausgangsfrage immer war: Was ist Dein Kriterium, welches Verhalten willst Du belohnen?

So wurde allen ganz schnell klar, dass man nicht nur kleinschrittig, sondern auch ganz genau arbeiten und vorbereiten muss. Denn nur wer genau weiß, welches Verhalten belohnt werden soll und welches nicht, vermeidet unerwünschtes Verhalten. Kathrin hat uns dabei wirklich gefordert - aber nicht überfordert. 


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Noch mehr Lesestoff gefällig?! Hier geht es zu meinen persönlichen Lesetipps zum Thema Clicker und positive Verstärkung!


Lehrreich war auch, dass Kathrin stets begleitend erklärt und insbesondere das Thema "Stress" aufgegriffen hat. Denn die Anwesenheit von Futter an sich muss noch nicht Auslöser für den Stress sein. Vielmehr zeigt sich häufig eine Frustration bei Pferden, die daraus resultieren kann, dass die Pferde entweder die Aufgabe nicht verstanden haben, z.B. weil die Aufgabe (noch) zu schwer ist oder sie die Aufgabe zwar richtig gelöst haben, aber nicht bzw. zu spät belohnt werden. 

Clickertraining mit Pferd, Konditionierung
Kathrin erklärt praxisnah - nämlich direkt am Pony! (Auch wenn es eisige Temperaturen hatte).

Wir hatten einen wirklich tollen Tag zusammen mit Kathrin. Ich habe nun schon wirklich einige Kurse bei unterschiedlichen Trainern und ganz verschiedenen Inhalts hinter mir. Aber ich habe noch keinen erlebt, bei dem der Kursleiter so individuell auf Pferd und Reiter eingegangen ist. Bemerkenswert finde ich auch, dass Kathrin zu keinem Zeitpunkt andere Trainingsmethoden verurteilt hat. Ich habe bei anderen Kursen schon das ein oder andere mal zu hören bekommen: "Meine Methode ist die einzig richtige, weil....Alle anderen haben nicht verstanden, dass...". Kathrin hat das konventionelle Training eben nicht kategorisch verurteilt. Und das finde ich prima. Wer seinen Weg als einzig richtigen bezeichnet, hat nämlich meist nicht die ganze Straßenkarte gesehen.  

Was ich gelernt habe

Positive Verstärkung ist...anstrengend. Sehr sogar. Ich finde es unglaublich faszinierend, wie schnell Pferde damit lernen. Das geforderte Verhalten war meist schon nach ein paar wenigen Clicks verinnerlicht. Ich schreibe hier bewusst "gefordert" - denn "gewünscht" ist meist wesentlich mehr. Das hat uns Kathrin immer wieder vor Augen geführt.

Ein Beispiel: Ich möchte, dass mein Pferd auf Signal hin ruhig, mit tiefer Kopfhaltung und den Ohren nach vorne frei neben mir läuft. 

Dafür muss mein Pferd gelernt haben, auf Signal hin:

  • anzugehen
  • neben mir zu laufen
  • sich meinem Tempo anzupassen, d.h. nicht zu überholen und nicht zu trödeln
  • den Kopf nach unten zu nehmen
  • die Ohren nicht anzulegen
  • neben mir anzuhalten
  • höflich zu bleiben

Es geht also nicht um ein Kriterium, sondern weitaus mehr. Kathrin hat uns stets daran erinnert: Das gewünschte Verhalten muss in kleine Teile zerlegt und trainiert werden. 

Clickern mit Pferd, Futterposition, Mattentarget, Targettraining
Lilly auf der Matte: Die Kopf- und Beinhaltung ist nicht optimal. Kriterien, an denen gearbeitet werden kann.

Was heißt das für den Trainingsalltag? Ich finde, man muss sich selbst wesentlich besser strukturieren als beim "klassischen" Training: Jede Einheit erfordert von mir letztlich einen Trainingsplan, indem ich meine Kriterien definiere. Da Druck tabu ist, muss ich überlegen, auf welche Art und Weise ich ein Verhalten hervorrufen kann, das ich clickern möchte. Ich brauche eine gute Beobachtungsgabe, um zu erkennen, wann das gewünschte Verhalten gezeigt wird. Wobei das Wort "Beobachtungsgabe" eigentlich nicht ausreicht. Ich denke, Achtsamkeit umschreibt es besser: Ich muss nicht nur das gewünschte Verhalten erkennen, ich muss ebenso bemerken, wann mein Pferd gestresst oder frustriert ist. Mir wird ebenfalls Schnelligkeit abverlangt, damit Click und Belohnung präzise erfolgen.

Deshalb ist es umso schöner, wenn man so eine kompetente Anleitung wie durch Kathrin bekommt! Denn gerade zu Beginn der "Clickerkarriere" kann eine diese Anstrengung durchaus ein wenig überfordern.

Ich habe aber auch gelernt, dass mit dem Clickertraining unglaublich viel möglich ist. Im Nachhinein bedauere ich es, dass ich die positive Verstärkung bisher nur so limitiert eingesetzt habe: Bei Zirkustricks oder Agility ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht!


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Pferde gymnastizieren mit dem Clicker

*Viviane Theby: Pferde gymnastizieren mit dem Clicker

Ich habe das Buch regelrecht verschlungen! Hier geht es schon um fortgeschrittenere Übungen: Von der Bodenarbeit über das Longieren bis hin zum Reiten mit dem Clicker.

Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die biomechanischen Zusammenhänge bei der Gymnastizierung und die Blickschulung des Trainers geworfen. Der Clicker kann zu so viel mehr eingesetzt werden als für Zirkustricks! Einfach klasse!

 


Und wie geht es weiter?

Zunächst einmal wird es sicherlich nicht der letzte Kurs mit Kathrin gewesen sein. 

Tja, und dann habe ich für mich beschlossen, dass ich den Clicker für weitaus mehr als Zirkustricks einsetzen kann und möchte. Denn ich will ein motiviertes Pferd - in allen Trainingsbereichen. Ich möchte mich nicht mehr schlecht fühlen, weil ich sehe, wie ambitioniert das Pony beim Clickern und wie gefrustet sie beim "klassischen" Training zuweilen ist. 

Deswegen habe ich beschlossen: Ja, ich werde versuchen, die positive Verstärkung auf weitere Trainingsbereiche, vielleicht sogar alle, auszuweiten.

Bin ich nun unter die Wattebauschwerfer gegangen? Ich weiß nicht. Und es ist mir auch egal. Von Kategorien halte ich ohnehin nicht viel (wie Du auch in diesem Blogbeitrag lesen kannst). Mir ist aber sehr wohl bewusst, dass ich einen Weg einschlage, der eben nicht so popülar ist wie das Training über negative Verstärkung. Das vermittelt mir ein klein wenig das Gefühl von Einsamkeit. 

 

Und ich habe auch großen Respekt vor der Trainingszukunft. Gerade die Frage, ob und wie ich die positive Verstärkung im Zusammenhang mit dem Fahren manage, lässt meinen Kopf rauchen. Aber sein Hirn anzustrengen, hat schließlich noch niemandem geschadet. Und so bin ich gespannt, wohin mich dieser neue Weg führen wird. Eine Station steht auf jeden Fall schon fest: Im März 2017 werde ich selbst mein erstes Hühnermodul absolvieren. 

In diesem Sinne:

Be Shettylicious! Ruth vom Team Shetty-Sport