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Der Kutschenführerschein der FN...

...und warum mir die FN gehörig auf die Nerven geht. Seit Ende letzen Jahres geistert er durch die sozialen Netzwerke: Der Kutscheinführerschein. Im Dezember wurde er von der FN beschlossen - und prominent beworben: "Jeder, der sich  mit einer Kutsche im Straßenverkehr bewegt, soll demnach zukünftig über einen Kutscheinführerschein A Privatperson seine Qualifikation nachweisen" (Meldung der FN vom 12.12.2016). Zum 1. Juni 2017 soll er "verpflichtend" sein. Diese  Meldung wurde fleißig geteilt und verbreitet. Und so haben mich schon mehrfach fahrende Bekannte und Freunde gefragt, wo ich denn mein Fahrabzeichen gemacht habe - schließlich seien sie ja ab Sommer auch zum Führerschein verpflichtet.

Grund genug, einmal Luft abzulassen - über die FN, aber auch über Kamikaze-Fahrer.

Kutschenführerschein, FN, Shetty vor Sulky, Sieltec

Liebe FN, das ist ganz schön unlauter!

Gleich vorneweg: Die FN ist - auch wenn sie es vielleicht gerne möchte - KEIN Gesetzgeber. Ergo: Die FN kann keine Gesetze erlassen - verpflichtend im Sinne von "gesetzlich vorgeschrieben" ist der Kutschenführerschein definitiv nicht! Kurz gefasst: ES GIBT KEINE GESETZLICHE KUTSCHENFÜHRERSCHEIN-PFLICHT!

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Shetty-Power vor der Kutsche! Muss ich nun Angst haben, von der Polizei kontrolliert zu werden? Foto by Alison Marburger

Aber was meint die FN denn mit "verpflichtend"?! Tja, ganz abseits des großen Medienrummels beantwortet die FN diese Frage in ihren FAQ zum Kutschenführerschein - weitaus weniger prominent beworben als die Meldung zur Einführung des Führerscheins:

"Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) fordert, dass jeder Fahrer, der sich mit einem Gespann im Straßenverkehr bewegt, über den Kutschenführerschein A Privatperson nachweist, dass er über das nötige Wissen rund um sicheres Fahren in Gelände und Straßenverkehr verfügt. Bisher ist der Kutschenführerschein nicht bundesweit gesetzlich verankert. Im Falle eines Unfalls und/oder Versicherungsfalles ist der Besitz des Kutschenführerscheins jedoch wichtig, um besondere Sachkunde nachzuweisen" (FN-FAQ zum Kutschenführerschein) .

Der Kutschenführerschein ist also eine vereinsinterne Forderung - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Niemand muss Angst haben, künftig von der Polizei mit seinem Gespann auf der Straße zur Führerscheinkontrolle gebeten zu werden.

So, und an dieser Stelle muss ich einmal ganz deutlich meine Meinung zum Ausdruck bringen:

Ich finde es für eine Organisation, die als Dachverband für Züchter und Pferdesportler gilt, schlicht und ergreifend unlauter, durch geschickt platzierte Meldungen den Eindruck zu erwecken, ein FN-Abzeichen sei gesetzlich verpflichtend. Auch wenn bei genauem Lesen schnell klar wird, dass es solch eine Pflicht nicht gibt (und auch nicht geben kann), halte ich es für unethisch, so für die eigenen Abzeichen zu werben. Es gibt nämlich auch noch andere Fahrabzeichen, die absolut gleichwertig sind - das verschweigt die FN aber ganz diskret. Das ist meiner Meinung nach unethisch, unmoralisch und ja, das regt mich auf. So richtig. Überall liest man, die Pferdesportler sollten sich gegenseitig weniger dissen, sich vielmehr unterstützen. Wenn nun aber schon die FN als größter Dachverband locker lässig alle anderen Vereinigunen außen vor lässt, ist das nicht sehr vorbildlich. Das ist kacke.

Trotzdem ist ein Abzeichen gut!

Bei all dem Ärger über die FN hat die Angelegeneit doch einen durchaus positiven Aspekt: Die Fahrabzeichen wurden in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Ich spreche hier bewusst im Plural, denn die FN hat die Konzeption von Fahrabzeichen nicht exklusiv für sich gepachtet. Man kann Fahrabzeichen nämlich auch bei der VfD oder (für gewerbliche Fahrer) bei der IGZ ablegen.

Kutschenführerschein, Fahrabzeichen
Ja - auch ich habe ein Fahrabzeichen. Das "alte" Deutsche Fahrabzeichen IV, das nun durch den Kutschenführerschein ersetzt wird.

Wieso ist denn nun ein Fahrabzeichen sinnvoll? Zunächst einmal: Lernen hat noch niemandem geschadet. Für ein Fahrabzeichen muss man einen Kurs absolvieren, der sowohl theoretische als auch praktische Unterrichtsstunden umfasst. Hier lernt man alles über Herrn Achenbach, Geschirr- und Wagenkunde, Verhalten im Sraßenverkehr, die relevanten Vorschriften der StVO und der StVZO und noch vieles mehr. Am Wichtigsten ist aber: der Spruch "Fahren lernt man nur durch Fahren" hat durchaus Berechtigung! Bei einem Fahrkurs bekommt man die Möglichkeit, mit sicheren Fahrpferden Fahrpraxis zu erlangen. Ich persönlich finde Fahren nämlich gefährlicher als Reiten: Erstens kommt man nicht umhin, im Straßenverkehr zu fahren - auch wenn man nur eine Straße überquert, um auf dem Feldweg zu zockeln. Zweitens ist das Fahrpferd wesentlich weiter weg: man hat keine körperliche Verbindung - allein Leinen, Stimme und Peitsche sorgen für die Verbindung zum Pferd. Drittens hat man Material am Pferd hängen, das groß und sperrig ist - wenn ein Pferd unkontrolliert über einen Graben springt, ist das schon für einen Reiter gefährlich. Mit der Kutsche läuft man aber zusätzlich Gefahr, dass die Kutsche umkippt. Das wird dann sowohl für Pferd als auch Fahrer (lebens-)gefährlich.

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Es bleibt nicht aus, auf öffentlichen Straßen zu fahren. Damit sind Fahrer ganz normale Verkehrteilnehmer des öffentlichen Straßenverkehrs. Foto by Alison Marburger.

Es gibt beim Fahren viele Dinge zu beachten - um der Sicherheit willen. Insofern stellt sich mir die Frage "Warum soll ich einen Fahrkurs machen?" überhaupt nicht. Mir stellt sich eher die Frage "Wieso sollte ich keinen Fahrkurs machen oder zumindet Fahrstunden bei einem qualifizierten Trainer nehmen?" Denn damit sorge ich dafür, dass ich für mich, mein Pferd und meine Umwelt zu keiner Gefahr werde. Und auch hier muss ich mich mal wieder aufregen. Über die vielen Kamikaze-Fahrer, die sich gerade im Winter aus ihren Löchern trauen. Sobald die ersten Schneeflocken fallen, werden abenteurlustig Schlitten an den Ponyzottel gehängt. In meinem Beitrag zu den Winter-Tipps habe ich schon darüber berichtet. Nochmal in aller Deutlichkeit: Kinders, jetzt mal ehrlich. Ihr würdet Euch doch auch nicht "einfach so" auf ein rohes Pferd schwingen? Wieso zum Henker kommen denn manche Menschen auf die Idee, es sei nobelpreiswürdig, einem völlig unvorbereiteten Pferd was hinter die Beine zu schnallen?! Also bitte: Bildet Euch fort! Seid verantwortungsbewusst und lernt Fahren!


INFO

Bilde Dich weiter! Einen ersten Einblick, was in einem Fahrkurs auf Dich zukommt und was Dich beim Fahren erwartet, bekommst Du in meinen Lieblingsbüchern zum Thema:

*Richtlinien für Reiten und Fahren: Band 5 - Fahren

*Pferde-Fahren-Lernen

*Fahren für Einsteiger


Der zweite wesentliche Punkt ist ein rechtlicher: Es geht um die Versicherung. Sollte es zu einem Umfall kommen, fordern einige Versicherungen, dass man seine Befähigung zum Führen eines Gespanns nachweist. Und dieser Nachweis ist eben ein Fahrabzeichen. (Bei gewerblichen Fahrern stellt sich die Sachlage nochmal anders dar). Hat man kein Fahrabzeichen, zahlen einige Versicherungen schlicht und ergreifend nichts. Hier ist besonders wichtig, einmal genau bei der Versicherung nachzuhaken: Deckt Deine Versicherung das Fahren überhaupt ab? Wird ein Fahrabzeichen gefordert - wenn ja, welches? Welche Ausrüstung fordert Deine Versicherung (z.B. die Frage, ob ein Gebiss vorgeschrieben ist und wenn ja, welches)? Neben dem versicherungsrechtlichen gibt es aber auch einen schadensersatz- bzw. strafrechtlichen Aspekt: Kommt es zum (Personen-)Schaden, wird die Frage der Fahrlässigkeit gestellt. Wer nachweisen kann, dass er ein "qualifizierter Fahrer" ist, dem wird schwerer vorzuwerfen sein, dass er fahrlässig gehandelt halt, weil er grundsätzlich befähigt ist, sein Gespann unter Kontrolle zu halten.

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Fahren lernt man nur durch Fahren! Foto by Alison Marburger

Und was ist mit dem Pferd?

Ich finde eine Fahrausbildung wichtig - egal ob es ein Kurs über die FN oder die VfD ist. Ebenso wichtig finde ich aber die Ausbildung des Fahrpferdes. Bitte hol Dir professionelle Unterstützung bei der Ausbildung eines Fahrpferdes! Nur, weil man ein Fahrabzeichen besitzt, ist man noch längst nicht in der Lage, ein Pferd zum verkehrssicheren Fahrpferd auszubilden. Tipps, wie Du das Einfahren vorbereiten kannst, gibt es übrigens in unserem Buch "Ponys ganz groß"!


INFO

Ponys ganz groß - Originelle Beschäftigungsideen für kleine Pferde

In unserem Buch *Ponys ganz groß-Originelle Beschäftigungsideen für kleine Pferde gibt´s Tipps und Tricks rund um´s Fahren.

 

Und wenn Du nicht nur Lust auf Kutsche fahren hast, sondern Dein Pony auch noch anderweitig mit viel Freude und Spaß beschäftigen willst, bist Du mit diesem Buch gut bedient! Denn schließlich soll Arbeit ja abwechslungsreich sein - auch für Fahrponys.


Mein Fazit

Die FN hat sich durch diese Aktion für mich in´s persönliche Aus geschossen: So sieht keine seriöse Verbandstätigkeit aus.

Dennoch: Fahren ist wunderbar. Aber zum sicheren Fahren braucht man selbst die entsprechenden Kenntnisse. Und hierfür bietet sich eben ein Abzeichenkurs an. Neben den eigenen Fähigkeiten braucht man auf jeden Fall ein sicheres Fahrpferd. Beides sind Dinge, bei denen man sich nicht scheuen sollte, um Unterstützung bei einem Trainer zu bitten. Ich habe meinen Fahrschein übrigens bei Veronika Goldbach gemacht - und ich kann Veronika uneingeschränkt empfehlen. Und hey, so ein Fahrkurs macht richtig Spaß! Also trau Dich!

 

In diesem Sinne: Be shettylicious!