Kennst Du das? Jeder spricht immer von der Arbeit am Langen Zügel - dann wieder vom Fahren vom Boden oder der Doppellonge. Wer soll sich da noch auskennen? In diesem Beitrag erkläre ich Dir, was der Unterschied ist und was die Arbeit mit den langen Zügeln bringt.
Begriff-Salat
Grundsätzlich zählt die Arbeit am langen Zügel zum Reiten, während das Fahren vom Boden eine Form des Fahrens und die Doppellonge eine Art des Longierens ist.
Die Position des Menschen:
Aber nicht nur die Zuordnung in Kategorien des Reitens, Fahrens und Longierens unterscheidet sich, sondern auch die Ausführungsweise: Bei der Arbeit am langen Zügel läuft der Reiter direkt hinter dem Pferd oder leicht seitlich am inneren bzw. äußeren Hinterfuß. Beim Fahren vom Boden geht der Fahrer mit weitaus größerem Abstand direkt hinter dem Pferd. Der Longierer hingegen steht neben dem Pferd, das an der Doppellonge einen Zirkel um ihn herum läuft.
Die Übungen:
Die Arbeit am langen Zügel zählt zu den Königsdisziplinen des Reitens und wird erst aus ausgeführt, wenn die Pferde die versammelnden Lektionen - von Seitengängen über fliegende Wechsel bis hin zu Pirouetten - unter dem Sattel beherrschen. Denn eben diese Lektionen soll das Pferd dann auch am langen Zügel zeigen. Die Zügel verlaufen seitlich am Pferd und rahmen es ein. It´s all about Versammlung, sozusagen.
Beim Fahren von Boden geht es weniger um die klassischen Dressurlektionen. Das Pferd soll insbesondere an die Arbeit vor der Kutsche vorbereitet werden: Der Fahrer übt vorwiegend gerade Linien und einfache Wendungen - schließlich ist das Pferd vor dem Wagen später durch die Anzen bzw. Deichsel in seiner seitlichen Bewegung beschränkt. Junge Pferde werden so aber auch an die Zügelhilfen gewöhnt.
Die Doppellongenarbeit gleicht schon eher der Arbeit am langen Zügel - abgesehen von der Führposition und dem Versammlungsgrad des Pferdes. Hier kann vor allem auch an der natürlichen Schiefe des Pferdes gearbeitet werden - z.B. durch Verschieben des Zirkels.
Und nun für Shettys?!
So weit nun also zur Theorie des Begriff-Salats. Was heißt das denn nun für Shettys? Kann ich mein Shetty denn überhaupt am langen Zügel arbeiten? Schließlich wird wohl kein Shetty so einen guten, kleinen Reiter haben, dass man die beiden im fliegenden Wechsel über den Reitplatz galoppieren und anschließend noch ein wenig piaffieren sieht. (Wobei das sicher knorke aussehen würde). Außerdem haben wir da auch ein Problem mit der Zügelführung. Ein normaler Erwachsener ( sogar solche, die - wie ich - eher Hobbitgröße haben) ist größer als das Pony. Die Zügel können das Pony also schon gar nicht einrahmen, weil sie nicht direkt rechts und links neben dem Pony verlaufen, sondern nach oben zur Hand.
Ich sehe das so: Wie immer wenn es um Shettys und andere kleine Ponys geht, muss man sich von starren Kategorien lösen.
Ob das, was ich mit meinem Shetty tue, nun ganz korrekt als Arbeit am langen Zügel, Fahren vom Boden oder als Arbeit mit der Doppellonge bezeichnet werden kann, ist mir ziemlich schnuppe. Die Übergänge zwischen den einzelnen Arten des Arbeitens sind ohnehin fließend - sobald der Reiter, Fahrer oder Longierer seine Position ändert, kann er z.B. von der Doppellonge in das Fahren vom Boden oder die Arbeit am langen Zügel wechseln.
Vom Begriff-Salat zur Praxis: In diesem Video kannst Du sehr gut beobachten, wie wir unsere Führpositionen immer wieder wechseln!
Mit meinem Shetty passe ich in keine Kategorie. So what?! Das muss ich doch auch gar nicht. Mir geht es darum, mein Pony gesunderhaltend und gymnastizierend zu arbeiten, es auf kleine Reiter und die Arbeit vor der Kutsche vorzubereiten. Tja, und da überlege ich mir nicht jedes Mal, ob ich nun am langen Zügel arbeite oder vom Boden aus fahre. Viel wichtiger ist doch einen konkreten Plan zu haben, welche Hilfen wie eingesetzt werden müssen, um einen bestimmten Trainingserfolg erzielen zu können.
Wozu der Zügel-Salat?
Ich halte fest: Ich verabschiede mich in weiten Teilen von den starren Begrifflichkeiten, wenn es um mein Shetty geht und spreche jetzt einfach mal ganz untechnisch von den langen Leinen.
Was bringen mir denn nun die meterweise Leder (bzw. Biothane) in meinen Händen? Und noch viel wichtiger - was bringen sie meinem Shetty?
Den Überblick behalten - das Auge schulen
Bei der Arbeit mit den langen Leinen hat man sein Pony immer voll im Blickfeld - und zwar den ganzen Pferdekörper und insbesondere die Pferdebeine. Besser als z.B. beim Longieren kann man hier kann klar erkennen, wo sich welches Beinchen gerade befindet, was es tut und durch die Sicht auf den Ponyrücken hat man einen guten Überblick, wo das Pony nicht ganz gerade läuft, es auf die Schulter fällt, wie es sich biegt oder im Genick verwirft. Kurzum: Die "Vogel-Perspektive" ermöglicht einen schonungslosen Blick auf den Ausbildungsstand. Big Brother ist watching you.
Kleine Ponys anreiten
Dem Thema "Wie reitet man kleine Ponys an" haben Yvonne und ich einen ganzen Artikel im Bookazin "Feine Hilfen" gewidmet. Dieses Thema liegt uns wirklich am Herzen und sollte einen viel größeren Stellenwert in der Ponyausbildung einnehmen, als es das mancherorts tut:
Shettys - und natürlich auch andere Kleinponys - sind die wahren Helden des Reitsports! Auf ihnen lernen die meisten von uns Reiten. Wir sollten den flauschigen Vierbeinern und ihrer Ausbildung den notwendigen Respekt entgegenbringen.
Dressur-Shetty!
Beim Shetty können die langen Leinen den Reiter ersetzen. Die klassischen Dressurlektionen können erarbeitet werden und sorgen für die richtige Gymnastizierung! Dressur muss nicht nur auf dem Pferderücken stattfinden! Dressur hat hier - genau so wie beim Reitpferd - keinen Selbstzweck. Es geht darum, das Shetty in´s Gleichgewicht und vermehrt auf die Hinterhand zu bringen, es zu biegen und zu stellen.
1 PS vor der Kutsche
Die Arbeit mit den langen Leinen ist eine super Vorbereitung für das Kutsche fahren! Und warum Kutsche fahren für mich der beste Shetty-Sport überhaupt ist...erfährst Du in einem der nächsten Blogbeiträge ;-)
Mein Fazit
Für mich ist die Arbeit mit den langen Leinen eine Trainingsmethode, die ich in keinem Fall missen möchte. Ich will ein fittes, gut gymnastiziertes Pony - schließlich soll es lange gesund bleiben. Das kann ich gut mit den langen Leinen erarbeiten und zudem mein Auge schulen. Was will man mehr?
Also keine Angst vor Begrifflichkeiten! Lass Dich nicht in eine Schublade pressen. Leg los - mit den langen Leinen!
INFO
Meine persönlichen Lesetipps zu den langen Leinen:
- Thomas Ritter, *Die Arbeit am Langen Zügel : Eines meiner Lieblingsbücher! Von der richtigen Ausrüstung über das korrekte Aufwärmen bis hin zur Hilfengebung wird die Arbeit am langen Zügel ausführlich und anschaulich erklärt. Daumen hoch!
- Saskia Gunzer und Nicole Günzel, *Am Langen Zügel - die Krönung der Ausbildung: Wohl das Standardwerk für alle Langzügel-Fans.
- Horst Becker: *Handbuch der Doppellongenarbeit: Für Einsteiger ebenso geeignet wie für alte Hasen, die mal eben etwas nachschlagen wollen!
- Karin Tillisch: *Kreative Doppellongenarbeit: Für Einsteiger ein absolutes Muss - praxisnah und super verständlich!
Be Shettylicious! Ruth vom Team Shetty-Sport