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Chicken Camp - Hennen rennen?!

Train the Trainer - im März 2017 war ich fünf Tage lang zum Hühner clickern in Dornbirn, Österreich. Wie - Hühner clickern? Nein, Du hast Dich nicht verlesen. Für ein paar Tage habe ich behufte gegen gefiederte Trainingspartner ausgetauscht - statt Wiehern hörte ich gackernde Hühner. Und obwohl mir zu Beginn beim Gedanken, mit Hühner zu arbeiten, ziemlich flau im Magen war (mal ehrlich: Hühnerfüße sehen doch irgendwie ein wenig eklig aus), habe ich mich nicht nur ein klein bisschen in "Nummer 2" verliebt, sondern darüber hinaus eine Menge über Training gelernt!

 


INFO

Im schönen Dornbirn (Vorarlberg) betreiben Andrea Lux und Fritz Gruber Wi:Me:Ti. Wi:Me:Ti steht dabei für Wissen: Mensch: Tier und ist ein Trainings-Campus und eine Bildungswerkstatt für innovatives und tierschutzgerechtes Tiertraining. Andrea und Fritz bieten unter der Schirmherrschaft bzw. in Kooperation mit der Tierakademie Scheuerhof die Hühner Module an.

Die Hühner Module hat übrigens der Amerikaner Bob Bailey entwickelt - Viviane Theby von der Tierakademie Scheuerhof hat sie dann nach Deutschland gebracht, Fritz und Andrea wiederum nach Österreich. Die Hühner von Andrea und Fritz sind absolut glücklich, wie Du hier sehen kannst.


Wieso ich auf´s Huhn gekommen bin

Im Dezember 2016 war TOPTrainerin (Training optimieren und perfektionieren) Kathrin Wycisk bei uns. Im Kursbericht habe ich erklärt, wieso ich ein möglichst 100 prozentiger positiver Verstärker werden möchte. Das schöne an der positiven Verstärkung (ganz abgesehen von den Auswirkungen auf das Pferd) ist: Training ist ein Handwerk, das man lernen kann. Und das Handwerk des Clickerns kann man wohl nicht besser als bei den Hühner Modulen lernen

Was Hühner mit Pferden zu tun haben

Zunächst einmal: gar nichts. Hühner sind jedoch unglaublich schnell und von ihrem Verhalten her eher einfach gestrickt: Zwei Beine, Federn, flattern, picken, fressen, fertig. Überschaubar also. Außerdem bin ich das beste Beispiel dafür, dass man beim Anblick eines Huhns nicht sofort in helle Verzückung verfällt - die wenigsten Menschen werden ein Huhn wohl streicheln, knuddeln und mit Leckereien füttern wollen, weil es einen so nett anschaut. 

Wir haben hier also ein sehr schnelles Tier, das nicht sofort "Kuschel-Alarm" auslöst. Damit sind sie perfekte Trainingspartner: man kann trainieren, ohne auf die "Mein-Gott-wie-kuschelig-ich-raste-aus"-Schiene zu verfallen, muss aber die eigenen Trainingswerkzeuge sehr gut beherrschen, weil die gefiederten Freunde blitzschnell sind. Und nun sind wir wieder bei den Pferden: Die Trainingswerkzeuge, die ich durch und mit den Hühnern verbessern kann, wende ich natürlich auch beim Pferd an.

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Auch wenn ich am Anfang kein "Hühner-Fan" war, habe ich mich doch ein klein wenig in meine Trainingspartnerin "Nummer 2" verliebt.

Beim Hühner Modul 1 - insgesamt gibt es fünf davon - geht es um die Grundlagen der operanten Konditionierung. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf Timing, Kriterien und Belohnungsrate. Genau Infos zu allen Modulen gibt es auf der Homepage von Wi:Me:Ti. By the way: Fritz und Andrea sind Hundetrainer (wie auch der Großteil der Teilnehmerinnen) - das spielt aber keine Rolle. Egal ob Huhn, Pferd, Hund oder Katze: Die Dinge, die man im Hühner Modul lernt, sind auf alle Tierarten anwendbar.

Click the chick! Alle Teilnehmerinnen vom Hühner Modul 1 - als Pferdetrainerin war ich wohl ein kleiner Exot. Foto by Wi:Me:Ti
Click the chick! Alle Teilnehmerinnen vom Hühner Modul 1 - als Pferdetrainerin war ich wohl ein kleiner Exot. Foto by Wi:Me:Ti

Die Eier-Aufgaben

Die insgesamt 10 Teilnehmerinnen wurden in fünf feste Trainingspaare eingeteilt, wobei jeder Trainer mit zwei Hühner arbeitete. Nachdem jeder Trainer seinen beiden Hühnern beigebracht hatte, auf die Mitte eines zunächst größeren, dann kleineren Targets zu picken, ging es schon an die "Eier-Aufgaben". Pro Huhn konnte man sich jeweils ein bronzenes, silbernes und goldenes Ei verdienen.

Fotos by Wi:Me:Ti

Das bronzene Ei:

Ein Huhn lernt vier Farben (lila, rot, grün, gelb), das andere Huhn vier Formen (Dreick, Viereck, Achteck, Kreuz) zu unterscheiden. Es darf eine Minute lang nur das lila Target (Target = Zielobjekt) bzw. das Dreieck picken, wobei die Targets immer wieder verschoben werden. So wird sicher gestellt, dass das Huhn nicht eine bestimmte Position, sondern eben eine bestimmte Farbe bzw. Form pickt.

Erst, wenn man diese Aufgabe gemeistert hat, darf man sich an die Aufgabe des silbernen Eis machen.

Fotos by Wi:Me:Ti

Das silberne Ei:

Wir bringen das Huhn unter Signalkontrolle: Wird das lila Target bzw. das Dreieck (die "heißen Targets") vom Tisch entfernt, soll das Huhn  20 Sekunden lang abwarten, ohne die drei "kalten Targets" am Tisch zu picken. Hat auch das funktioniert, macht man sich an´s goldene Ei.

Im Video siehst Du eine der ersten Trainingssessions zum silbernen Ei mit meinem Formenhuhn:

Das goldene Ei:

Die vier Targets liegen in einer Reihe - ganz links das "heiße Target" (lila oder Dreieck), ganz rechts das rote Target bzw. das Achteck. Das Huhn soll zuerst zweimal das "heiße" Target picken. Danach soll man dem Huhn unter Zeitdruck beibringen, dass Lila bzw. Dreieck nicht mehr heiß sind, sondern dass ab sofort Rot und Achteck "heiß" sind, wobei das neue heiße Target dann wiederum in der Reihe von rechts nach links verschoben wird. 

Und wie funktioniert das?!

Eigentlich ganz einfach: Durch Anwendung der Clickerprinzipien.

Was sich so einfach anhört, ist in der Praxis ganz schön schwierig. Daher kommt auch der Spruch "Training ist einfach, aber nicht leicht". Ich möchte hier nicht den Rahmen sprengen, deswegen gibt es jetzt einen sehr verkürzten und absolut rudimentären Einblick in´s Clickern:  


INFO

Die Begriffe sind für Dich böhmische Dörfer?! Kein Problem: Hier habe ich für Dich ein paar tolle Lesetipps rund um das Thema positive Verstärkung!


1. Timing

Sobald ich clicke, belohne ich das Verhalten des Huhns, weil das Huhn sehr schnell verstanden hat: Auf Click folgt Futter. Bin ich zu langsam, zu schnell oder beobachte ich das Huhn nicht richtig, clicke und belohne ich ein anderes als das gewünschte Verhalten. Das Huhn denkt sich "prima, alles paletti, genau DAS will die Frau mit der Futterschüssel". Du denkst Dir "Herrje, warum macht das Huhn das jetzt?!" - ganz simpel: weil Du es schon einmal belohnt hast. Der Spruch "Du bekommst das, was Du clickst, nicht das, was Du willst (you get what you click, not what you want)" meint genau das.

2. Kriterien

Ich muss mir genau überlegen, welches Kriterium, also welches Verhalten ich belohne - z.B. "picken" oder "in die Mitte des Targets picken".

3. Belohnungsrate

Nur, wenn ich ausreichend belohne, lohnt sich das Verhalten für das Huhn.

4. Nullposition

Ich brauche eine "neutrale" Position. Sobald ich meine Nullposition verlasse, erkennt das Huhn das sofort und ändert sein Verhalten

5. Futterpunkt

Mit dem Futterpunkt, also dem Ort, an dem ich das Huhn füttere, kann ich das ganze Huhn "austarieren". Halte ich die Futterschüssel z.B. relativ weit nach oben, gewinne ich Zeit: Denn das Huhn trägt seinen Kopf nach dem Fressen dadurch weiter oben und braucht etwas länger, um ihn nach unten zum picken zu bewegen. Wir sprechen hier zwar von Sekunden(-bruchteilen) - die können aber ganz entscheidend sein.

Dieses kleine Instagram-Video von mir ist am ersten Kurstag entstanden. Hier kann man gut erkennen, dass ich noch viel zu langsam mit der Futterschüssel bin. Das sollte sich im Laufe der Tage aber - zum Glück - ändern. Man kann aber auch gut erkennen, dass ich meinen Futterpunkt relativ weit oben wähle, um Zeit zu gewinnen.

6. Pausen und Trainingszeit

Pausen sind wichtig! Ebenso wie eine angemessene Trainingszeit. Deswegen haben wir IMMER mit Timer trainiert. Die Trainingssessions betrugen am Anfang 30 Sekunden, später eine Minute. War die Zeit abgelaufen, hatte das Huhn erstmal Pause, bis alle anderen drei Hühner trainiert waren.

7. Trainingsplan

Wild durch die Gegend clickern bringt gar nichts (siehe Punkte 1 bis 6): Ich muss mir vorher genau überlegen, wie ich ein Verhalten bekommen kann, welches Kriterium ich belohnen will - und wie ich mich selbst dabei sortiere. Dazu stelle ich am besten einen Trainingsplan auf. 

Außerdem haben wir alles dokumentiert: Wei viele gute Clicks hatte ich? Wie oft habe ich etwas geclickt, das ich eigentlich gar nicht clicken wollte? Wie viele Gelegenheiten habe ich verpasst, bei denen ich hätte clicken sollen? So konnten wir unseren Trainingsfortschritt während des Seminars schwarz auf weiß nachverfolgen. 

Im Hühnerseminar haben wir übrigens nicht nur mit Hühner geübt: Bei Trainerspielen haben wir versucht, unseren menschlichen Trainingspartner zu einem bestimmten Verhalten zu bringen: eine super Übung!

Die besten Sprüche für´s Phrasenschwein

Fritz und Andrea waren super, super Trainer! Hier steht TOPTrainer wirklich für TOP! (Übrigens hatte ich auch eine ganz tolle Co-Trainerin, Birgit. Das System mit den Co-Trainern war ohnehin klasse: So konnte man selbst sein Auge schulen, weil man bei seinem Co-Trainer eben sehen  konnte, was passiert, wenn man z.B. zu langsam ist oder einen ungünstigen Futterpunkt wählt.)

Fritz und Andrea haben uns immer wieder erklärt, worauf es ankommt. Und hier kommen meine persönlichen TOP 3 Sprüche, die ich von den beiden gebetsmühlenartig gehört habe:

1. Schneller, schneller, schneller!

Je schneller das Tier, desto schneller muss der Trainer sein! Umso wichtiger, dass man sich vorher einen Trainingsplan gemacht hat, um nicht völlig durcheinander zu kommen.

2. Entscheide Dich schnell!

Verpasse ich zu clicken, lernt das Huhn: OK. Das wollte die Frau mit der Futterschüssel nicht. Oder: OK. Manchmal bekomme ich was für das Verhalten, manchmal auch nicht. Lohnt es sich wirklich, dass ich das Verhalten nochmal zeige?

Letztlich muss ich also nicht nur schnell clicken und füttern, sondern im Training auch schnell entscheiden, was, ob und wie ich etwas belohne. 

3. Kaum macht man´s richtig, schon funktioniert´s!

Wie wahr! Sobald man konzentriert vorgeht und alle Trainingswerkzeuge richtig einsetzt, funktiert es wirklich - garantiert! Das heißt aber auch: Funktioniert etwas nicht, gibt es einen Trainingsfehler!

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Auch ohne Alpha-Gehabe zum Erfolg! Ich habe alle Eier abgeräumt - auch wenn es teilweise richtig schwer war.

Mein Fazit - und wie es weiter geht

Ich kann jedem, er sich für das Training mit positiver Verstärkung interessiert, nur empfehlen, ein Hühner Modul zu absolvieren. Es waren anstrengende 4,5 Tage, die ich aber nicht missen möchte. Ich war nun wirklich schon auf vielen Kursen und Trainings. Noch nie habe ich so viel gelernt wie bei Andrea und Fritz in Dornbirn. Die zwei waren einfach grandios: sie haben nicht nur alles verständlich erklärt (und wo es notwendig war auch mehrfach), sie standen auch während der Pausen immer mit einem offenen Ohr für Fragen zur Verfügung. Die Atmosphäre war zwar betriebsam, weil wir alle lernen wollten, dennoch kam der Spaß nicht zu kurz - wir haben viel zusammen gelacht. Außerdem habe ich wirklich viele, tolle und nette Trainerinnen kennengelernt!  Kurzum: Bei Andrea und Fritz habe ich mich sehr gut aufgehoben und betreut gefühlt. Ich bin zwar kein "Hundemensch", aber hätte ich einen Hund, würde ich definitiv bei und mit Andrea und Fritz trainieren. 

Clickertraining mit Pferd, positive Verstärkung, Targettraining, Farbunterscheidung
Man lernt nie aus! Fortbildung ist wichtig - das Hühner Modul 1 war nicht mein letztes Modul!

Im Hühner Modul gab es so einige AHA-Effekte für´s Pferdetraining : Training ist in der Tat ein Handwerk, das man Lernen kann. Diesen Gedanken finde ich sowohl ehrlich als auch tröstlich. Gerade im Pferdebereich wird einem ja gerne der Bär aufgebunden, es gäbe "Pferdeflüsterer". Menschen, die eine ganz, ganz super duper Beziehung zu Pferden haben und auf eine Art und Weise mit ihnen kommunizieren können, die nicht von dieser Welt ist. Wenn man aber eben Lieschen Müller von nebenan ist, hat man Pech: denn das "Pferdeflüsterer"-Gen haben eben nur die ganz, ganz besonderen Menschen auf dieser Welt. Du kannst nicht auf eine lange Ahnenreihe von Pferde-Schamanen zurückblicken? Nach dem Hühner Modul kann ich Dir das versichern, wovon ich vorher auch schon überzeugt war: Vergiss die Gurus. JEDER kann mit der richtigen Anleitung lernen, gut und vor allem tierschutzgerecht zu trainieren. 

Gutes Training verlangt in erster Linie viel von einem selbst ab - siehe Punkt 1 bis 7 (und diese Aufzählung ist nicht abschließend...). Im Hühner Modul wurde eines ganz deutlich: wenn etwas nicht funktioniert, bist DU SELBST das Problem. Das Huhn zeigt Dir sofort, wenn Du einen Fehler machst. Es ist aber DEIN Fehler. Das Huhn macht nur das, was Du ihm beibringst. Auch das kann man wunderbar auf Pferde übertragen.

Es gibt keine Problempferde. Es gibt lediglich Pferde, die Problemmenschen haben.

Und wenn wir schon bei Problemen sind, kommen wir auch gleich auf die Dominanz-Geschichte zu sprechen. Es hält sich ja immer noch hartnäckig die Theorie, der Mensch müsse im Umgang mit dem Pferd die Position der Leitstute einnehmen. Pferde haben in der Herde schließlich eine Rangordnung. Ergo: Der Mensch muss an die Spitze dieser Rangordnung, sonst funktioniert gar nix.

Tja, Hühner haben in ihrer Gruppe aber auch eine sehr explizite Rang- bzw. Hackordnung. Mit ausschließlich positiver Verstärkung haben wir es geschafft, die bronzenen, silbernen und goldenen Eier zu meistern. Keiner der Trainer ist auf die Idee gekommen, das Alpha-Huhn zu mimen. Und trotzdem konnten wir unseren Hühnern beachtliches Verhalten antrainieren. Den Rückschluss auf das Pferdetraining überlasse ich jedem selbst. Aber vielleicht ist dieser Bericht ja ein kleiner Gedankenanstoß...

Du siehst: ich bin wirklich begeistert vom Hühner clickern! Deswegen habe ich gerade eben das zweite Modul gebucht. Zwar leider nicht in Dornbirn bei Andrea und Fritz, weil der Termin in Dornbirn mit anderen Verpflichtungen kollidiert, aber ich bin mir sicher, dass ich vom zweiten Modul genau so begeistert sein und spätestens beim dritten Modul wieder bei Andrea und Fritz aufschlagen werde!

Ich trainiere übrigens schon fleißig die Farbunterscheidung mit Lilly-Lou. Wie das so läuft, erfährst Du im nächsten Blog-Beitrag "Lilly-Lou lernt Farbunterscheidung" ;-) 

 

In diesem Sinne: Be shettylicious! Ruth vom Team Shetty-Sport


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